Competition in this pair is now closed. Source text in English All travel is now merely a means of moving a camera from place to place, all travellers are ruled by the all-powerful lens. Visitors old-fashioned enough to wish only to stand and look with their anachronistic eyes are shoved aside by the photographers, who take it for granted that while they do their ritual focusing, nothing else may move or cross their vision. Those peculiar souls without a camera must step aside for those more properly occupied, must wait while the rituals take place, and must bide their time while whole coaches stop and unleash upon the landscape the Instamatic God. And the populations of whole countries seeing themselves cannibalised, swallowed up, vacuumed into the black-ringed staring eye, wrench what they can from the cannibals. You want picture my house, my camel? You pay.
None of this would matter, perhaps, if anything worthwhile was being accomplished. If all the constant busyness and clicking produced, at its end, what had not existed before, images of beauty captured or truth told. But, sadly, this isn't so. The camera is simply graffiti made respectable.
The camera is the means by which we stamp ourselves on everything we see, under cover of recording the Wonders of the World already wonderfully
recorded by professionals and on sale at every corner bookshop and newsagent. But what use to show Aunt Maud, back home, postcards of the Tuscan landscape, since we are not in the picture to prove that we were there?
No stretch of rocks has verity unless I am within it. No monument exists
but for my wife, leaning against it. No temple is of interest without my face beside it, grinning. With my camera I appropriate everything beautiful, possess it, shrink it, domesticate it, and reproduce it on my blank sitting-room wall to prove to a selected audience of friends and family the one absolutely vital fact about these beauties: I saw them, I was there, I photographed them, and, ergo, they are.
from "Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred" by Jill Tweedie in the Guardian | The winning entry has been announced in this pair.There were 30 entries submitted in this pair during the submission phase. The winning entry was determined based on finals round voting by peers.
Competition in this pair is now closed. | Heutzutage ist das Reisen lediglich eine Art, die Kamera von Ort zu Ort zu bewegen; Reisende werden durch die allmächtige Linse beherrscht. Ausreichend altmodische Besucher, die nur dastehen und mit ihren anachronistischen Augen schauen wollen, werden durch Fotografen zur Seite geschoben, die es als selbstverständlich ansehen, dass nichts Anderes ihre Sicht stören darf, während sie mit ihrer rituellen Scharfstellung beschäftigt sind. Diese merkwürdigen kameralosen Wesen müssen zur Seite treten, müssen die Rituale abwarten und manchmal sogar ganze Busladungen vorlassen, die, den Gott der Instamatik huldigend, auf die Landschaft losgelassen werden. Völker ganzer Länder betrachten sich als kannibalisiert, verschluckt, eingesogen in das schwarzumrandete starre Auge und ringen den Kannibalen alles mögliche ab. Du wollen Bild von meinem Haus, meinem Kamel? Du zahlen.
Alles wäre halb so schlimm - vielleicht - wenn irgend etwas Lohnenswertes erreicht würde; wenn die ganze Geschäftigkeit und das ganze Rumgeklicke am Ende etwas noch nie Dagewesenes hervorbringen würde, Bilder voller Schönheit oder enthüllte Wahrheiten, zum Beispiel. Aber leider ist das nicht der Fall. Die Kamera ist nur ehrbar gemachtes Graffiti.
Die Kamera ist das Hilfsmittel, mit dem wir uns auf allem für uns Sichtbare verewigen, unter dem Deckmantel der Aufnahme von Weltwundern, die bereits auf wunderbare Weise von Experten eingefangen und in jedem Buch- oder Zeitungsladen verkäuflich sind. Was nützt es, Tante Emma zuhause Postkarten der toskanischen Landschaft zu schicken, wenn wir eh nicht als Beweis für unsere Präsenz im Bilde sind?
Keine Felsformation besitzt eine Wahrheit ohne mich. Das Denkmal besteht nur, weil sich meine Frau daran lehnt. Die Tempelanlage wird erst dann interessant, wenn mein grinsendes Gesicht daneben auftaucht. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an; ich besitze es, schrumpfe und zähme es und reproduziere es auf meine kahle Wohnzimmerwand, um meinem auserwählten Publikum, bestehend aus Freunden und Familienmitgliedern, die einzig entscheidende Wahrheit über diese Schönheiten zu beweisen: Ich sah sie, ich war da, ich fotografierte sie, also existieren sie.
| Entry #3346
Winner Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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50 | 12 x4 | 1 x2 | 0 |
| Heutzutage dient Reisen nur noch dazu, einen Fotoapparat von einem Ort an den nächsten zu tragen – alle Reisenden sind dem Bann der allmächtigen Linse erlegen. Eher altmodische Touristen, die nur dastehen und mit ihren anachronistischen Augen schauen wollen, werden von den Fotografierenden zur Seite gedrängt, die es für selbstverständlich halten, dass sich während ihres Scharfstellrituals nichts und niemand sonst bewegt oder gar durchs Bild läuft. Jene sonderbaren Gestalten ohne Kamera müssen Platz machen für die ernsthafter Beschäftigten, müssen das Ende der Rituale abwarten und ausharren, bis ganze Busladungen dem Gott Kodak gehuldigt haben. Und die Bevölkerungen ganzer Länder – von Kannibalen verschlungen, geschluckt, aufgesogen in das starrende Auge mit dem schwarzen Ring – ringen ihren Peinigern ab, was sie nur können: "Du wollen Bild von meine Haus, meine Kamel? Du bezahlen."
All dies wäre wohl nicht weiter schlimm, wenn dabei etwas Lohnenswertes herauskäme. Wenn durch das unablässige Tun und Klicken am Ende etwas geschaffen würde, was vorher noch nicht existierte – Bilder, die wahre Schönheit festhalten oder eine tiefere Wahrheit ausdrücken. Leider ist dies nicht der Fall. Mit der Kamera wird lediglich eine respektablere Form von Graffiti geschaffen.
Mithilfe der Kamera verewigen wir uns auf allem, was wir sehen, stets unter dem Vorwand, die Wunder dieser Welt festhalten zu wollen, obwohl diese bereits wunderschön von Profis fotografiert wurden und in jedem Zeitungskiosk und Buchladen an der Ecke zu kaufen sind. Aber was nützt es, Tante Heidi zu Hause Postkarten der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir selber nicht im Bild sind und so beweisen können, dass wir tatsächlich dort waren?
Keine Felsenlandschaft kann ohne uns darin echt sein. Ohne meine Frau, die sich daran lehnt, ist die Existenz eines jeden Denkmals anzuzweifeln. Ohne mein grinsendes Gesicht daneben ist jeder Tempel uninteressant. Mit meiner Kamera bringe ich alles Schöne in meinen Besitz und behalte es dort, schrumpfe es ein, mache es mir gefügig und projiziere es zu Hause für ausgewählte Freunde und Familienangehörige auf die nackte Wohnzimmerwand. Alles nur, um ihnen jenen einen entscheidenden Aspekt dieser Schönheiten zu beweisen: Ich habe sie gesehen und fotografiert – ich war da, also sind sie.
Auszug aus: Jill Tweedie, "Amateurfotografie - Die Welt, wie sie nicht ist, und unser Fred" (erschienen in The Guardian)
| Entry #3173
Michael Schickenberg (X)Γερμανία Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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39 | 9 x4 | 1 x2 | 1 x1 |
| Eigentlich sind Reisen nur noch ein Mittel, um eine Kamera von Ort zu Ort zu tragen; die Kameralinse treibt die Reisenden mit geballter Macht umher. Und die Besucher, die so altmodisch sind, dass sie die Dinge in Ruhe und ganz unzeitgemäß nur mit dem Auge betrachten möchten, werden von den Fotografen beiseite gestoßen. Die gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass sich nichts und niemand mehr bewegt und ihnen keiner ins Bild laufen darf, während sie feierlich den Sucher einstellen. Die komischen Figuren ohne Kamera müssen also den Weg freimachen für diejenigen, die etwas viel Wichtigeres zu tun haben. Sie müssen warten, bis die feierlichen Rituale vorbei sind und sich in Geduld fassen, während sich ganze Reisebusladungen von erleuchteten Fotografen über die Landschaft ergießen. Ganze Völker finden sich verzehrt, verschlungen, eingesogen in dieses schwarzumrandete starrende Auge und schlagen soviel Profit wie möglich aus den Unersättlichen heraus. Fotos von meinem Haus, meinem Kamel? Das kostet aber.
Vielleicht wäre das alles gar nicht so schlimm, wenn etwas Vernünftiges dabei herauskäme. Wenn am Ende all’ dieser Geschäftigkeit und dem ständigen Klicken zumindest noch nie da gewesene oder schöne und wahrhaftige Bilder entstehen würden. Leider ist es nicht so. Die Fotos sind lediglich gesellschaftsfähige Schmierereien.
Unter dem Vorwand, alle Wunder dieser Welt festzuhalten - das haben allerdings professionelle Fotografen schon viel besser gemacht und die Bilder gibt es an jeder Ecke zu kaufen - gibt uns die Kamera die Möglichkeit, allem und jedem unseren Stempel aufzudrücken. Denn was bringt es uns, Tante Thilda zuhause Postkarten der Toskana zu zeigen, wenn wir selber nicht drauf sind, um zu beweisen, dass wir dort gewesen sind?
Eine Bergkette allein ist nicht bemerkenswert, es sei denn, ich bin mitten drin. Ein Denkmal existiert nur durch meine Frau, die sich dagegen lehnt. Ein Tempel ist nur interessant, wenn man mein grinsendes Gesicht daneben sieht. Mithilfe meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, nehme es in Besitz, verkleinere es, zähme es und lasse es auf meiner leeren Wohnzimmerwand neu erstehen. Einer handverlesenen Gruppe von Freunden und Familie beweise ich damit den einen, absolut entscheidenden, Umstand, der all’ diese Schönheit ausmacht: Ich habe sie gesehen, ich bin dort gewesen, ich habe sie fotografiert - und bin daher der Grund für ihre Existenz.
Auszug aus „Amateur Photography: the world as it isn’t and our Fred” von Jill Tweedie für „The Guardian”
| Entry #3187
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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18 | 3 x4 | 2 x2 | 2 x1 |
| Jegliches Reisen dient heutzutage nur mehr dazu, eine Kamera von einem Ort zum anderen zu transportieren. Alle Reisenden unterliegen dem Bann des übermächtigen Objektivs. Besucher, die so altmodisch sind, dass sie einfach nur dastehen und mit ihren anachronistischen Augen in die Welt schauen möchten, werden kurzerhand von den Fotografen beiseite geschoben, die es als Selbstverständlichkeit erachten, dass sich nichts und niemand durch ihr Sichtfeld bewegen darf, während sie ihre rituelle Fokussierung vornehmen. Jene seltsamen, kameralosen Geister haben für diejenigen zur Seite zu treten, die einer angemessenen Beschäftigung nachgehen, müssen warten, während diese ihre Rituale praktizieren, und ausharren, während ganze Reisebusse halten und den heiligen Gott der Instamatic über der Landschaft entfesseln. Die Bevölkerungen ganzer Länder, die dergestalt kannibalisiert, verschlungen, in das schwarze, starrende Kameraauge eingesaugt werden, versuchen ihrerseits, aus den Kannibalen heraus zu pressen, so viel sie nur können. Du wollen Bild von mein Haus, mein Kamel? Du zahlen.
Vielleicht wäre das alles nicht so schlimm, wenn dabei irgendein lohnendes Ergebnis zustande käme. Wenn das ganze geschäftige Geknipse letztlich etwas schaffen würde, was zuvor nicht existiert hatte, Bilder von unendlicher Schönheit oder tieferer Wahrheit. Aber leider ist dem nicht so. Die Kamera ist lediglich eine etwas respektablere Form des Graffitis.
Mit der Kamera drücken wir allem, was wir sehen, unseren Stempel auf - unter dem Vorwand, die Wunder dieser Welt festhalten zu wollen, die bereits von professionellen Fotografen in herrlichen Bildern verewigt wurden, die bei jedem Buchladen und Zeitschriftenhändler erhältlich sind. Aber wozu sollen wir Tante Lisbeth zu Hause Postkarten von der Toskana zeigen, wenn wir selbst nicht auf ihnen abgebildet sind, um zu beweisen, dass wir dort waren?
Keine Felsformation ist echt, wenn ich nicht mitten darin stehe. Kein Monument existiert, wenn sich nicht meine Frau dagegen lehnt. Kein Tempel ist von Interesse, wenn mein grinsendes Gesicht nicht daneben zu sehen ist. Mit meiner Kamera eigne ich mir alle Schönheit der Welt an, ich ergreife Besitz von ihr, schrumpfe sie ein, zähme sie und werfe sie schließlich an meine kahle Wohnzimmerwand, um im ausgewählten Freundes- und Familienkreis die absolut grundlegendste Tatsache über all diese Herrlichkeit darzulegen: Ich habe sie gesehen, ich war da, ich habe sie fotografiert, ergo existiert sie.
Aus „Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred“ von Jill Tweedie im Guardian
| Entry #2942
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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12 | 1 x4 | 3 x2 | 2 x1 |
| Beim Reisen geht es nunmehr lediglich um die Beförderung einer Kamera von A nach B, und alle Reisenden unterstehen der allmächtigen Linse. Menschen, die altmodisch genug sind, nur den Wunsch zu hegen, stehenzubleiben und sich mit ihren anachronistischen Augen umzusehen, werden zur Seite gedrängt von Fotografen, die es als selbstverständlich erachten, dass während ihrer zeremoniellen Einstellung der Bildschärfe nichts und niemand durch ihr Bild laufen darf. Diese sonderbaren Geschöpfe ohne Kamera müssen denen Platz lassen, die sich angemessener beschäftigen, sie müssen warten, bis die Rituale vollzogen wurden und auf einen günstigen Augenblick hoffen, während ganze Reisebusse anhalten und den Gott Kodak entfesseln. Und die Bevölkerungen ganzer Länder – kannibalisiert, verschluckt, hineingesaugt in das schwarz eingefasste starrende Auge – trotzen den Kannibalen ab, was nur möglich ist. Ihr wollt Bild von Haus, Kamel? Das kostet.
Vielleicht würde nichts von alledem etwas ausmachen, wenn doch etwas Erstrebenswertes dabei herauskäme. Wenn die ständige Geschäftigkeit und das Dauergeknipse letzten Endes etwas hervorbringen würde, was zuvor nicht existiert hat: Bilder eingefangener Schönheit oder Bilder der Wirklichkeit. Doch leider ist das nicht der Fall. Die Kamera ist schlicht Graffiti ehrbar gemacht.
Die Kamera ist unser Werkzeug, um alles zu prägen, was wir sehen, während wir so tun, als ob wir die Weltwunder aufnähmen, die bereits auf wunderbare Weise von professionellen Fotografen aufgenommen wurden und in jeder Buchhandlung und bei jedem Zeitungshändler um die Ecke erhältlich sind. Doch was nützt es uns, Tante Inge zu Hause Postkarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir doch nicht auf den Bildern zu sehen sind, um zu beweisen, dass wir wirklich dort waren?
Kein Felsen ist wirklich ohne meine Anwesenheit, kein Denkmal existiert ohne meine Frau, die sich anlehnt. Kein Tempel ist von Belang ohne mein Gesicht daneben, grinsend. Mit meiner Kamera annektiere ich alles Schöne, besitze es, verkleinere es, zähme es und hänge es an meine leere Wohnzimmerwand, um einem ausgewählten Publikum aus Familie und Freunden zu beweisen: die eine, absolut entscheidende Wahrheit über diese Schätze ist, dass ich sie gesehen habe, dass ich da war, sie fotografiert habe, dass sie durch mich existieren.
aus „Amateurfotografie: Die Welt, wie sie nicht ist, und unser Fred“ von Jill Tweedie in „The Guardian“ | Entry #3038
Andrea Flaßbeck (X)Γερμανία Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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10 | 2 x4 | 1 x2 | 0 |
| Alle Reisen dienen inzwischen nur noch dem einzigen Zweck, eine Kamera von einem Ort zu einem anderen zu transportieren – und alle Reisenden gehorchen dem Kommando des allmächtigen Objektivs. Wer noch in altmodischer Manier einfach bloß dastehen und den Blick entgegen dem Zeitgeist mit eigenen Augen genießen möchte, wird alsbald von Fotografen beiseite geschubst, die es als ihr gutes Recht ansehen, dass sich bei ihrem Fokussierritual niemand bewegen und schon gar nicht durchs Bild laufen darf. Diese eigentümlichen Zeitgenossen ohne Kameras müssen für die anständig ausgestatteten Kamerabesitzer zur Seite treten, warten, bis die Rituale stattgefunden haben, und sich in Geduld fassen, während ganze Busse anhalten und den "Instamatic"-Gott auf die Landschaft loslassen. Und die Bevölkerungen ganzer Länder, die zusehen müssen, wie sie verschluckt, konsumiert und von schwarz umränderten, starrenden Augen aufgesogen werden, entreißen diesen Kannibalen soviel wie möglich. Du wollen Bild von meine Haus, meine Kamel? Dann du müssen zahlen.
All dies wäre ja nicht weiter gravierend, wenn dadurch irgendetwas Bedeutendes geleistet würde und wenn all diese unaufhörliche Geschäftigkeit und Knipserei am Ende etwas Neues einfangen würde, was es noch nie gab: Bilder von einmaliger Schönheit oder Einblicke in die Wahrheit. Aber das ist leider nicht der Fall. Die Kamera ist inzwischen nichts weiter als die salonfähige Version von Graffiti.
Mit einer Kamera drücken wir allem, was wir sehen, unseren persönlichen Stempel auf, und zwar unter dem Deckmäntelchen, dass wir die Wunder der Welt für die Nachwelt aufzeichnen müssen - als ob diese nicht schon wunderbar von professionellen Fotografen abgelichtet worden und an jeder Ecke auf den Büchertischen und bei den Nachrichtenagenturen zu kaufen wären. Aber was nützt es uns schon, Tante Sofie zu Hause einen Haufen Postkarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht mit auf dem Bild sind und damit den Beweis liefern, dass wir wirklich dort waren?
Keine Klippe ist tatsächlich vorhanden, bevor ich darauf stehe. Kein Denkmal existiert, bevor meine Frau sich dagegen lehnt. Ohne mein grinsendes Gesicht daneben ist kein Tempel wirklich bedeutsam. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, besitze es, mache es kleiner, zähme es und dann wird es auf meiner leeren Wohnzimmerwand reproduziert, um einem ausgewählten Kreis von Freunden und Verwandten die einzige, absolut entscheidende Tatsache über diese Schönheiten unter Beweis zu stellen: Ich habe sie gesehen, ich war dort, ich habe sie fotografiert, folglich existieren sie.
Aus: „Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred“ von Jill Tweedie in The Guardian.
| Entry #3151
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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8 | 1 x4 | 2 x2 | 0 |
| Alles Reisen ist heute nur noch ein Mittel zu dem Zweck, eine Kamera von einem Ort zu einem anderen zu bewegen; alle Reisenden werden von der allmächtigen Linse beherrscht. Besucher, die noch altmodisch genug sind, etwas nur mit ihren anachronistischen Augen bewundern zu wollen, werden von den Fotografen beiseite geschoben, welche es als selbstverständlich erachten, dass sich nichts bewegen oder ihnen gar durchs Bild laufen darf, während sie das Ritual der Einstellung durchführen. Die sonderbaren Seelen ohne Kamera müssen für die angemessener Beschäftigten zur Seite gehen, müssen sich gedulden, während die Rituale vollzogen werden, müssen abwarten, während ganze Busladungen von Leuten die Gottheit Instamatic auf die Landschaft loslassen. Und die Bevölkerungen ganzer Nationen, die ausgenommen werden, verschlungen, eingesaugt in das schwarz umrandete starrende Auge, verlangen denen, die sie ausnehmen, ab, was sie können. Du wollen fotografieren meine Haus, meine Kamel? Du zahlen!
Das alles wäre vielleicht gar nicht so tragisch, wenn dabei irgendetwas herauskäme, wenn durch diese permanente Geschäftigkeit und das ständige Geklicke am Ende etwas entstehen würde, was es vorher noch nicht gab, Bilder, in denen Schönheit festgehalten oder eine Wahrheit ausgedrückt wird. Aber leider ist das nicht so. Die Kamera ist nur eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Graffiti.
Die Kamera ist nur ein Mittel, mit dem wir allem, was wir sehen, unseren Stempel aufdrücken, und das unter dem Vorwand, die Wunder dieser Welt festhalten zu wollen, die von Profis schon wunderschön festgehalten worden sind und an jedem Kiosk und in jedem Buchladen an der Ecke zum Verkauf stehen. Aber was hat es für einen Wert, zu Hause Tante Anni Postkarten mit einer toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn man doch selbst nicht auf dem Bild ist, um zu beweisen, dass man da war?
Keine Felsformation besitzt Wahrheit, wenn ich nicht darin stehe. Keine Sehenswürdigkeit existiert, ohne dass meine Frau sich daran anlehnt. Kein Tempel ist ohne mein grinsendes Gesicht daneben von irgendwelchem Interesse. Mit meiner Kamera ergreife ich von allem Schönen Besitz, eigne es mir an, schrumpfe es, zähme es, und hänge ein Abbild davon an meine kahle Wohnzimmerwand, um einem ausgewählten Publikum aus Freunden und Verwandten die einzig entscheidende Wahrheit über diese schönen Dinge zu demonstrieren: Ich habe sie gesehen, ich war da, ich habe sie fotografiert, und deshalb sind sie.
| Entry #3302
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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8 | 1 x4 | 0 | 4 x1 |
| Reisen heißt heutzutage nur noch, seine Kamera von Ort zu Ort zu bewegen; alle Touristen werden von der allmächtigen Linse getrieben. Besucher, die so altmodisch sind, dass sie einfach nur dastehen und alles mit ihren anachronistischen Augen betrachten wollen, werden von den Fotografen einfach beiseite geschoben, denn die sehen es als selbstverständlich an, dass sich nichts anderes bewegt oder in ihr Sichtfeld gerät, während sie ihrem rituellen Fokussieren frönen. Die Sonderlinge, die keine Kamera haben, müssen den besser Ausstaffierten respektvoll den Platz überlassen oder eben so lange warten, bis das Ritual stattgefunden hat und bis der letzte Reisebus seine Instamatik-Götter über die Landschaft ausgegossen hat. Und die arme Bevölkerung, die sich von der Fotografenhorde ausgezogen und aufgefressen, vom schwarzen, ringförmigen Kameraauge aufgesaugt sieht, versucht, die Kannibalen ihrerseits auszupressen. Sie wollen mein Haus fotografieren? Bitte schön, das kostet aber.
Das allein wäre vielleicht gar nicht mal so schlimm, wenn mit diesem ganzen Zirkus wenigstens irgendetwas Sinnvolles ereicht würde. Wenn das ständige geschäftige Klicken und Treiben am Ende wenigstens nie zuvor gesehene Schönheit einfangen oder verborgene Wahrheiten erzählen würde. Aber leider ist dem nicht so. Fotografieren ist nichts anderes als Grafitti-Malerei, nur sein Ruf ist besser.
Die Kamera ist das Instrument, mit dem wir allem, was wir sehen, unseren Stempel aufdrücken, unter dem Vorwand, wir müssten die Sieben Weltwunder neu entdecken, die aber alle schon aufs Beste aufgenommen wurden und in jedem Buchladen oder Zeitschriftenkiosk um die Ecke zu haben sind. Aber was hat es für einen Sinn, Tante Käthe zuhause Postkarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir ihr nicht beweisen können, dass wir auch wirklich da waren?
Kein Gebirgszug ist wahrhaftig, es sei denn, ich bin mitten drin zu sehen. Die größten Monumente der Welt sind völlig unbedeutend, wenn meine Frau nicht daneben lehnt. Tempel sind langweilig, solange ich nicht grinsend daneben stehe. Mit der Kamera kann ich alles auf der Welt an mich heranzoomen, in Besitz nehmen, klein machen und mir einverleiben und es an meine weiße Wohnzimmerwand werfen, um anschließend einer auserwählten Schar von Freunden und Angehörigen das einzig Wahre zu beweisen: All´diese Dinge habe ich gesehen, ich war da, ich habe sie fotografiert, und nur deshalb gibt es sie. | Entry #3340
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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7 | 1 x4 | 1 x2 | 1 x1 |
| Jede Reise dient doch heutzutage nur dazu, einen Fotoapparat von hier nach da zu transportieren, und das allmächtige Objektiv regiert über alle Reisenden. Jeder, der altmodisch genug ist, einfach nur dastehen und schauen zu wollen mit den Augen der Vergangenheit, wird unweigerlich von den Fotografierenden beiseite geschoben, für die es ganz selbstverständlich ist, dass beim heiligen Ritual des Fokussierens alles still und niemand im Wege zu stehen hat. Die armen kameralosen Seelen haben den Weg frei zu machen für jene, die ein echtes Anliegen verfolgen, haben zu warten, wenn die Rituale vollzogen werden, müssen verweilen, wenn der voll besetzte Reisebus zum Halten gebracht wird, bis dann endlich das erlösende Instamatic-Feuer auf die Landschaft eröffnet wird. Ganze Völker fallen diesem Kannibalismus zum Opfer, werden verschluckt, werden eingesaugt in das schwarz umringte Zyklopenauge und nehmen dabei ihrerseits von den Kannibalen, was sie kriegen können. Du willst mein Haus fotografieren? Mein Kamel? Dann zahl’ dafür!
All dies wäre vielleicht nicht schlimm, käme dabei doch nur etwas Vernünftiges heraus, stünde nach all dem geschäftigen Klicken am Ende etwas Neues, etwas, das vorher nicht da war. Bildnisse der Schönheit. Eingefangene Wahrheit! Bedauerlicherweise ist dem nicht so. Die Kamera produziert nicht mehr als salonfähiges Graffiti.
Die Kamera ist die Sprühdose, mit der wir uns überall verewigen müssen, indem wir vorgeben, doch nur eine Aufnahme von den Wundern der Welt machen zu wollen - was vor uns schon längst professionelle Fotografen erledigt haben, deren wunderbare Arbeiten wir in jedem Buchladen an der Ecke und bei jedem Zeitungshändler erwerben können. Da sind wir allerdings nicht selbst drauf. Was für einen Sinn hat es denn schon, Tante Mathilde nach unserer Rückkehr eine Ansichtskarte von der Toskanalandschaft vorzulegen, auf der wir nicht als Beweis unseres Dagewesenseins gleichfalls abgebildet sind?
Keine Felsenkette ist wahrhaftig, es sei denn, wir stehen oben drauf. Ein Denkmal existiert erst dann wirklich, wenn sich unsere Gattin daran anlehnt. Jeder Tempel ist belanglos, wenn daneben nicht unser grinsendes Gesicht erscheint. Mit der Kamera wird alles Schöne überhaupt erst richtig schön, wird mein, wird klein, wird zum Mitbringsel, das ich an meine kahle Wohnzimmerwand werfen und einer erlesenen Schar von Freunden und Familienmitgliedern als Beweis für die eine, die absolut lebenswichtige Tatsache präsentieren kann: dass ich dies gesehen habe, dass ich dort gewesen bin, dass ich es fotografiert habe, was ihm ein Sein quasi überhaupt erst ermöglicht! Ich habe es fotografiert, also ist es.
Aus dem Artikel „Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred" von Jill Tweedie, erschienen in The Guardian.
| Entry #3145
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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7 | 1 x4 | 1 x2 | 1 x1 |
| Reisen bedeutet heute allgemein nur, eine Kamera von hier nach da zu tragen. Jeder Reisende gehorcht dem Diktat der allmächtigen Fotolinse. Reisende, die so altmodisch sind, dass sie nur verweilen und mit ihren anachronistischen Augen betrachten wollen, werden zur Seite geschoben von Fotografen, die es für selbstverständlich halten, dass nichts sich bewegen oder ihr Blickfeld kreuzen darf, während sie ihre fotografischen Riten vollziehen. Jene bemitleidenswerten Gestalten ohne Kamera müssen jenen passender beschäftigten Platz machen, müssen während der Sakralhandlung warten und hoffen, dass ihre Zeit noch kommt, während neue Reisebusse ankommen und die knipsenden Horden auf die Landschaft loslassen. Und die Bevölkerung ganzer Länder, wie sie sehen, dass sie kannibalisiert, verschluckt und in das schwarzumringte Glotzauge gesogen werden, holen aus den Kannibalen heraus, was zu holen ist. "Mein Haus, mein Kamel fotografieren? Bakschisch, bitte!"
Das alles wäre eine Nebensächlichkeit, wenn dabei irgendetwas von Bedeutung geschaffen würde. Wenn all die Geschäftigkeit und das Geklicke am Ende etwas schaffen würde, was vorher nicht da war, flüchtige Schönheit, in Bildern eingefangen, oder Wahrheit, in Bildern erzählt. Aber dem ist nicht so, bedauerlicherweise. Unter einem respektablen Äußeren ist die Knipserei einfach nur Wandschmiererei.
Mit Hilfe der Kamera drücken wir allem, was wir sehen, unseren Stempel auf. Vorgeblich wollen wir die Wunder der Welt fotografieren, die doch von professionellen Fotografen schon wunderbar fotografiert worden und an jeder Ecke und in jedem Buchladen käuflich zu erwerben sind. Doch welchen Sinn macht es, Tante Hilde daheim Fotografien der Toskana-Landschaft zu zeigen, wo wir doch nicht auf dem Foto sind, also nicht beweisen können, dass wir dort waren.
Keine Felspartie ist echt, es sei denn, ich bin dabei. Ein Denkmal existiert erst dann, wenn meine Frau sich daran anlehnen kann. Ein Tempel, ohne mein grinsendes Gesicht daneben, ist uninteressant. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, besitze, domestiziere und reproduziere es an der weißen Wand meines Wohnzimmers. Und dies nur, um einem hochexklusiven Publikum aus Freunden und Familienmitgliedern den alles entscheidenden Punkt zu beweisen: ich sah sie, ich war da, ich habe sie fotografiert. Ergo, es gibt sie. | Entry #2989
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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5 | 0 | 2 x2 | 1 x1 |
| Heutzutage besteht das Reisen nur noch darin, eine Kamera von einem Ort zum nächsten zu bewegen – alle Reisenden werden vom allmächtigen Linsengott regiert. Der Besucher, der altmodisch genug ist, dass er einfach dastehen und mit seinen anachronistischen Augen schauen möchte, wird von den Fotografen beiseitegeschoben, die davon ausgehen, dass nichts und niemand ihr Blickfeld verstellen oder durchqueren darf, während sie ihre rituellen Fokussierungshandlungen vornehmen. Diese absonderlichen Wesen, die noch nicht einmal eine Kamera haben, müssen beiseite treten für die angemessen Ausgerüsteten, müssen warten, bis die Rituale beendet sind, müssen auf ihren Moment warten, während schon wieder ganze Busse vorfahren und ihre Instamatic-Ladung über die Landschaft gießen. Und die Bevölkerung ganzer Länder, die sich verschlungen, verschluckt und aufgesogen fühlt von den schwarz umrandeten, starrenden Augen, quetscht das Letzte aus den Kannibalen heraus: Du wollen Foto von mein Haus, mein Kamel - du zahlen.
Nichts von alledem wäre vielleicht schlimm, wenn irgendetwas Wertvolles dadurch zustande käme. Wenn das ständige Tun und Klicken am Ende irgendetwas hervorbrächte, was vorher noch nicht da war, Schönheit in Bildern einfangen oder Wahrheit erzählen würde. Leider aber ist das nicht der Fall. Die Fotografie ist hier nichts als legitimierte Graffiti.
Die Kamera ist das Mittel, mit dem wir uns auf alles stempeln, was wir sehen, unter dem Deckmantel der Berichterstattung über die Wunder der Welt, die doch schon wunderbar genug von den Berufsfotografen aufgezeichnet wurden und an jeder Ecke in Buchläden und Zeitungskiosken zum Verkauf stehen. Aber was bringt es schon, Tante Maud später zu Hause Postkarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht selbst auf den Bildern zu sehen sind – zum Beweis, dass wir dort waren?
Keine Felsformation ist wirklich, wenn ich nicht darin stehe. Kein Denkmal existiert, außer meine Frau lehnt daran. Kein Tempel ist von Interesse ohne mein grinsendes Gesicht daneben. Mit der Kamera eigne ich mir alles Schöne an, besitze es, schrumpfe es, domestiziere es und reproduziere es dann auf der weißen Wand meines Wohnzimmers, um vor einem ausgewählten Publikum aus Freunden und Familie die eine absolut wesentliche Tatsache über all diese schönen Dinge zu beweisen: Ich habe sie gesehen, ich war dort, ich habe sie fotografiert, und ergo sind sie.
Aus: „Amateur Photography: the World as it isn’t and our Fred“ von Jill Tweedie, im Guardian
| Entry #3073
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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5 | 1 x4 | 0 | 1 x1 |
| Alles Reisen ist jetzt lediglich ein Verfahren, eine Kamera von Ort zu Ort zu bewegen. Alle Reisenden unterliegen dem Gesetz der allmächtigen Linse. Besucher, die so altmodisch sind, nur dastehen und mit Ihren anachronistischen Augen schauen zu wollen, werden von den Fotografen zur Seite geschoben, für die es selbstverständlich ist, dass während ihrer rituellen Kamerabedienung nichts anderes sich zu bewegen oder ihr Blickfeld zu kreuzen hat. Diese seltsamen Wesen ohne eine Kamera müssen denen mit einer angemesseneren Beschäftigung weichen, warten, während sich die Rituale vollziehen, müssen zuschauen, wie ganze Busladungen stehenbleiben und ihren Instamatic-Götzen auf die Landschaft loslassen. Und die Völkerschaften ganzer Länder, die erleben, wie sie zu Kannibalenfutter werden, verschlungen, eingesogen in das Vakuum des schwarz umrandeten Glotzauges, holen sich von den Kannibalen, was sie kriegen können. Du willst mein Haus knipsen, mein Kamel? Du zahlst.
Nichts davon wäre vielleicht wichtig, wenn irgend etwas Bedeutsames dabei heraus käme. Wenn all das ständige Getue und Geklicke am Ende etwas hervorbrächte, was es vorher nicht gab, Bilder eingefangener Schönheit oder erzählter Wahrheit. Aber traurigerweise ist das nicht so. Die Kamera ist nur auf gediegen getrimmtes Graffiti-Sprayen.
Die Kamera ist das Mittel, mit dem wir uns auf alles, was wir sehen, aufstempeln, unter dem Vorwand, die Wunder der Welt abzulichten, die bereits von Profis wunderbar abgelichtet wurden und in jedem Buchladen und Zeitungskiosk an der Ecke zum Verkauf angeboten werden. Aber welchen Sinn macht es, Tante Erna daheim Postkarten der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht im Bild sind und so beweisen, dass wir dort waren?
Kein Felsgebiet ist wahrhaft, wenn ich nicht darin bin. Kein Denkmal existiert, es sei denn, meine Frau lehnt sich daran. Kein Tempel ist von Interesse, ohne mein Gesicht daneben, grinsend. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, ich besitze es, schrumpfe es, zähme es und projiziere es auf die kahle Wand meines Wohnzimmers, um einer ausgewählten Schar von Freunden und Angehörigen die eine absolut relevante Tatsache in Bezug auf diese Schönheiten zu beweisen: Ich habe sie gesehen, ich war dort, ich habe sie fotografiert und, ergo, gibt es sie.
Aus "Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred" [Amateurfotografie: Die Welt, wie sie nicht ist, und unser Fred] von Jill Tweedie in "The Guardian"
| Entry #3188
Voting points | 1st | 2nd | 3rd |
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5 | 1 x4 | 0 | 1 x1 |
| Das Reisen dient heutzutage vor allem dazu, die Kamera von Ort zu Ort zu transportieren; alle Reisenden werden durch das ach so mächtige Objektiv beherrscht. Besucher, altmodisch genug, um einfach so dazustehen und mit ihren anachronistischen Augen schauen zu wollen, werden von den Fotografen beiseite geschubst, welche es als selbstverständlich erachten, dass sich nichts in ihrem Gesichtsfeld bewegen oder ihnen die Sicht versperren darf, während sie ihre Fokussierrituale vollziehen. Jene seltsamen Seelen ohne Kamera müssen für jene unter uns Platz machen, die einer wichtigeren Beschäftigung nachgehen. Während die Rituale stattfinden, müssen sie auf den richtigen Augenblick warten, während ganze Busladungen Rast machen und den Gott der Kompaktkamera auf die Landschaft loslassen. So kommt es, das sich die Völker ganzer Länder kannibalisiert, vereinnahmt und von diesem starrenden, schwarz umringten Auge aufgesaugt fühlen, während sie aus den Kannibalen herauspressen, was sie können. Du mein Haus, mein Kamel fotografieren? Du zahlen.
All dies würde nichts ausmachen, wenn etwas Sinnvolles herauskäme. Wenn diese anhaltende Geschäftigkeit und all das Klicken am Ende etwas produzieren würde, das noch nicht da gewesen ist, Bilder, welche die Schönheit einfangen oder eine Wahrheit erzählen. Leider ist das nicht so. Die Kamera ist einfach zu angesehener Kunst gemachtes Graffiti.
Die Kamera ist es, womit wir allem, was wir sehen, unseren Stempel aufdrücken, uns dadurch tarnend, die Wunder dieser Welt in Fotos festzuhalten, obwohl sie schon längst von Berufsfotografen auf wunderbare Weise fotografiert worden sind, und an jedem Buch- oder Zeitungsladen an der Ecke erhältlich sind. Wozu Tante Marthe nach der Rückkehr Postkarten mit Landschaften aus der Toskana zeigen, wenn wir selbst nicht auf dem Bild sind und nicht beweisen können, dass wir tatsächlich dort waren?
Keine Felsenreihe hat Wert, wenn ich nicht davor zu sehen bin. Kein Denkmal ist ein Denkmal, wenn meine Frau sich nicht dagegen lehnt. Kein Tempel ist von Interesse, wenn mein Gesicht nicht daneben grinst. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, mache es mein, verkleinere es, bringe es ins Haus und vervielfältige es auf meiner leeren Wohnzimmerwand, um vor einem ausgewählten Freundes- und Familienkreis das einzig Wichtige an diesen Schönheiten nachzuweisen: Ich sah sie, ich war dort, ich fotografierte sie, also sind sie.
Aus „Amateurfotografie: Wie die Welt nicht ist und unser Fred“ von Jill Tweedie im „Guardian“.
| Entry #3010
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| Reisen dienen heutzutage nur noch dem Zweck, eine Kamera von A nach B zu tragen. Reisende werden von der übermächtigen Linse beherrscht. Besucher, die altmodisch genug sind, einfach nur dazustehen, um sich mit müden Augen umzuschauen, werden von den Fotografen beiseite geschubst, die es für selbstverständlich halten, dass sich nichts bewegt, geschweige denn ihre Sicht versperrt, während sie das Objekt ihrer Begierde heranzoomen. Diese verirrten Seelen ohne Kamera müssen Platz machen für die besser Ausgestatteten, müssen warten, bis das Foto endlich geschossen ist, sich in Geduld üben, während volle Reisebusse anhalten und die Götter der Kleinbildkamera in die Freiheit entlassen. Ganze Völkerstämme fühlen sich ausgebeutet, ausgeschlachtet, von der starrenden Linse aufgesogen, und versuchen sich den Ausbeutern soweit wie möglich zu entziehen. Du wollen fotografieren meine Haus, und meine Kamel? Du müssen bezahlen.
Vielleicht wäre all das egal, wenn doch dabei nur etwas Vernünftiges entstehen würde. Wenn aus dem ganzen Trubel und Betätigen des Auslösers am Ende etwas noch nie Dagewesenes entstehen würde, auf Bildern festgehaltene Schönheit oder Wahrheit. Aber leider ist dem nicht so. Die Kamera ist wie Graffiti, nur seriöser.
Die Kamera ist das Mittel, mit dem wir allem, was wir sehen, einen Stempel aufdrücken, unter dem Vorwand, die Weltwunder einzufangen, die jedoch bereits von Profis fotografiert wurden und in jedem Buch- oder Zeitungsladen zu kaufen sind. Aber was bringt es, Tante Else zuhause Postkarten der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht mit auf dem Bild sind, um zu beweisen, dass wir auch wirklich dort waren?
Keine Felsformation ist echt, wenn ich nicht davor stehe. Kein Denkmal existiert, wenn sich meine Frau nicht dagegen lehnt. Kein Tempel ist von Interesse, wenn nicht mein grinsendes Gesicht daneben zu sehen ist. Mit meiner Kamera kann ich mir alles Schöne aneignen, es besitzen, verkleinern, zähmen, und es an meine kahle Wohnzimmerwand hängen, um einem ausgewählten Publikum - bestehend aus Freunden und Verwandten - den einzig wichtigen Fakt über diese Schönheiten zu präsentieren: Ich habe sie gesehen, ich war live dabei. Ich habe sie fotografiert, also gibt es sie.
"Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred", Jill Tweedie, erschienen in The Guardian | Entry #2482
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| Heute besteht das Reisen nur noch darin, eine Kamera von einem Ort zum nächsten zu bewegen, alle Reisenden werden von der allmächtigen Linse beherrscht. Besucher die altmodisch genug sind, um sich nur hinzustellen und mit ihren anachronistischen Augen zu schauen werden beiseite gedrängt von Fotografen, die es für selbstverständlich halten, dass während sie ihre feierlichen Aufnahmen machen, nichts anderes ihr Bild durchkreuzt. Diese merkwürdigen Seelen ohne Kamera müssen Platz machen für die besser Ausgerüsteten, müssen warten während die Rituale stattfinden und den rechten Augenblick abwarten, während ganze Reisebusse anhalten und sich der Fotogott über die Landschaft ausbreitet. Bevölkerungen ganzer Länder sehen sich kannibalisiert, verschluckt, aufgesaugt vom schwarz umrandeten, starrenden Auge, sie entwinden den Kannibalen so viel sie können. Du willst mein Haus, mein Kamel fotografieren? Das kostet dich.
Vielleicht wäre nichts von alledem von Bedeutung, wenn etwas erreicht würde, was die Mühe wert ist. Wenn all die ständige Geschäftigkeit und das Auslöserklicken am Ende etwas vorher nicht Dagewesenes erzeugte, Bilder welche die Schönheit einfangen oder die Wahrheit sprechen. Aber bedauerlicherweise ist dem nicht so. Die Kamera ist nur respektabel gemachte Graffiti.
Die Kamera ist das Medium mit dem wir unseren Stempel auf alles drücken, was wir sehen, auf die Aufnahmen der Weltwunder, welche alle bereits professionell und wunderschön aufgenommen wurden und in jedem Bücherladen um die Ecke und bei jedem Zeitungshändler erhältlich sind. Aber was nützt es Tante Maud zuhause unsere Postkarten der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht auch im Bild sind, um zu beweisen, dass wir dort waren?
Kein Gebirgszug ist in Wirklichkeit da, solange ich mich nicht darauf befinde. Kein Bauwerk existiert, außer meine Frau lehnt sich dagegen. Kein Tempel ist von Interesse ohne mein grinsendes Gesicht daneben. Mit meiner Kamera eigne ich mir alles Schöne an, besitze es, minimiere es, domestiziere es und reproduziere es auf meiner weißen Wohnzimmerwand um einem ausgesuchten Publikum von Freunden und Familienangehörigen die einzig wichtige Tatsache über diese Schönheiten zu beweisen: Ich habe sie gesehen, ich war dort, ich habe sie fotografiert und folglich gibt es sie.
aus "Amateur Photography: the World as it isn´t and our Fred" von Jill Tweedie erschienen in der Zeitung "the Guardian" | Entry #2504
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| Das Reisen dient heutzutage nurmehr dem Zweck, eine Kamera von Ort zu Ort zu bewegen. Alle Reisenden werden von der allmächtigen Linse beherrscht. Jene, die altmodisch genug sind, dazustehen und ihre anachronistischen Augen gebrauchen zu wollen, werden von den Fotografen beiseite gedrängt, die eine uneingeschränkte sowie ungestörte Sicht während des rituellen Fokussierens für selbstverständlich halten. Jene merkwürdigen kameralosen Gestalten müssen den Weg freimachen für die, die wirklich beschäftigt sind, sie müssen den Ritualen Vorrang einräumen und ihren Augenblick abwarten, während ganze Busladungen voller einäugiger Götter auf die Landschaft losgelassen werden. Ganze Länder werden kannibalisiert, verschlungen und durch das schwarz beringte starrende Auge aufgesogen, doch ihre Einwohner ringen den Kannibalen ab, was sie können. Du wollen Foto von meine Haus, meine Kamel? Du geben Geld.
Vielleicht wäre all dies belanglos, wenn irgendetwas Wertvolles entstünde, wenn die ständige Geschäftigkeit und das Klicken der Kameras am Ende etwas hervorbrächten, was es noch nicht gab, oder etwa ein Abbild der Schönheit oder der Wahrheit. Leider jedoch ist dem nicht so, und die Endprodukte sind lediglich respektabel gewordenes Graffiti.
Wir drücken durch die Kamera unter dem Deckmantel der Dokumentation von Weltwundern allem, was wir sehen, unseren Stempel auf. Zwar wurde bereits alles von Profis dokumentiert, und die Resultate sind in jedem Buchladen und Zeitungskiosk erhältlich, doch was macht es für einen Sinn, Tante Anna zuhause eine Postkarte der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir noch nicht einmal im Bild sind und keinen Beweis unseres Aufenthalts haben?
Keine Felsentrasse ist wirklich, wenn ich nicht auf ihr stehe. Kein Denkmal existiert, außer wenn meine Frau sich dagegen lehnt. Kein Tempel ist von Interesse ohne mein grinsendes Gesicht daneben. Mit meiner Kamera weise ich allem Schönen seinen Platz zu, bringe es in meinen Besitz, stutze es mir zurecht, unterwerfe es mir und hänge seine Abbilder an meine öde Wohnzimmerwand, um einem ausgewählten Publikum von Freunden und Familie die eine, absolut grundlegende Tatsache über diese Sehenswürdigkeiten zu beweisen: Ich habe sie gesehen, ich war da, ich habe sie fotografiert, ergo existieren sie.
Aus dem Artikel: „Amateurfotografie: die Welt, wie sie nicht ist, oder Unser Fred” von Jill Tweedie, erschienen in der britischen Tageszeitung The Guardian
| Entry #2806
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| Jegliches Reisen besteht mittlerweile nur noch darin, eine Kamera von einem Ort zu einem anderen zu bringen. Alle Reisende werden von der allmächtigen Linse beherrscht. Wer als Tourist altmodisch genug ist, sich auf bloßes Dastehen und Anschauen mit den eigenen anachronistischen Augen zu beschränken, wird von den Fotografen verdrängt, die es für selbstverständlich halten, dass ihnen nichts und niemand das Blickfeld verstellt. Die seltsamen Geschöpfe ohne Kamera müssen den besser ausgestatteten Platz machen, die Ausübung der Rituale abwarten und ausharren, während ganze Reisebusse ankommen und die Gebieter von Kleinbildkameras in die Landschaft ausschwärmen lassen. Und die Einwohner ganzer Länder, die von dem schwarz umrandeten Glotzauge ausgeschlachtet, verschlungen und aufgesaugt werden, pressen den Kannibalen so viele Gegenleistungen wie möglich ab. Du wollen mein Haus oder mein Kamel fotografieren? Dann du zahlen.
All das wäre ja nur halb so schlimm, wenn etwas dabei herauskäme. Wenn durch die andauernde Geschäftigkeit und das ständige Klicken letztendlich Bilder von Schönheit festgehalten oder Geschichten von Wahrheit erzählt würden, also wirklich Neues entstünde. Aber dem ist leider nicht so. Die Kamera produziert lediglich salonfähiges Graffiti.
Mit der Kamera drücken wir allem, was wir sehen, unseren Stempel auf, wobei wir so tun, als nähmen wir die Weltwunder auf, die schon so wundervoll von professionellen Fotografen aufgenommen wurden und in jedem Buchladen oder an jedem Zeitungsstand an der Ecke zu haben sind. Aber was sollte es nützen, Tante Erika zuhause Postkarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir nicht im Bild sind und somit nicht beweisen können, dass wir da waren?
Kein Gebirgszug ist wirklich, ohne dass ich nicht darauf stehe. Kein Denkmal existiert, wenn sich meine Frau nicht dagegen lehnt. Kein Tempel hat Belang, sofern nicht mein grinsendes Gesicht daneben zu sehen ist. Mit meiner Kamera verleibe ich mir alles Schöne ein, ergreife Besitz davon, zähme es, schrumpfe es und werfe es an meine leere Wohnzimmerwand, um einem handverlesenen Publikum aus Freunden und Verwandten die einzige, absolut entscheidende Wahrheit über diese Schönheiten kundzutun: Ich habe sie gesehen, ich war da, ich habe sie fotografiert – ergo gibt es sie.
| Entry #2747
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| Das Reisen dient heutzutage nur dem Zweck, eine Kamera von Ort zu Ort zu tragen, die Reisenden sind von der allmächtigen Linse beherrscht. Besucher, die so altmodisch sind und nur dastehen und mit ihren anachronistischen Augen schauen wollen, werden von den Fotografen, die es für selbstverständlich halten, dass während des rituellen Einstellens der Kamera nichts und niemand sich sonst bewegt oder durch das Bild läuft, beiseite geschoben. Die kameralosen Sonderlinge müssen für die Rührigen beiseite treten, müssen ausharren, während die Rituale stattfinden, müssen einen günstigen Augenblick abwarten, während voll besetzte Reisebusse Halt machen und die Göttin Instamatic auf die Landschaft loslassen. Und die einheimische Bevölkerung, die sich ausgeschlachtet, verschlungen und in das schwarz beringte starrende Auge hineingesogen sieht, knöpft den Kannibalen ab, was sie nur kann: Du wollen filmen mein Haus, mein Kamel? Du bezahlen.
Das alles wäre vielleicht ohne Belang, wenn dabei etwas Wertvolles zustande käme. Wenn die dauernde Geschäftigkeit und das unablässige Klicken am Ende etwas noch nie Dagewesenes entstehen ließen, Bilder, die eingefangene Schönheit oder etwas Wahres wiedergeben. Doch das ist leider nicht so. Das Filmen und Fotografieren ist lediglich salonfähig gemachtes Taggen.
Wir benutzen die Kamera, um allem, was wir sehen, unseren persönlichen Schriftzug zu verpassen - unter dem Vorwand, die Wunder der Welt festzuhalten, die doch schon von professionellen Fotografen wunderbar festgehalten und in jedem Buch- oder Zeitungsladen zu haben sind. Allein was nützt es, Tante Magda zu Hause Ansichtskarten von der toskanischen Landschaft zu zeigen, wenn wir darauf fehlen, also nicht beweisen können, dass wir dort gewesen sind?
Keine Felslandschaft wirkt glaubhaft, wenn nicht ich darin bin. Kein Denkmal existiert, wenn nicht meine Frau daran lehnt. Kein Tempel erregt jemandes Interesse ohne mein grinsendes Gesicht daneben. Mit der Kamera eigne ich mir alles Schöne an, nehme es in Besitz, verkleinere es, bändige es und lasse es dann auf der leeren Wohnzimmerwand wiedererstehen, um einem ausgewählten Publikum aus dem Freundes- und Familienkreis den einen wirklich entscheidenden Existenzbeweis für diese Schönheiten zu liefern: Ich habe sie gesehen, ich bin da gewesen, ich habe sie fotografiert, ergo sind sie.
Aus: "Amateur Photography: the World as it isn't and our Fred" von Jill Tweedie, veröffentlicht im "Guardian" | Entry #2789
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